August 19, 2004
Deutsche
Ernte im Stop and Go
Dritte Erntemeldung des
Deutschen Bauernverbandes
Nachdem in der ersten August-Dekade die Ernte zügig
vorangeschritten ist, hat die jüngste Niederschlagsperiode
wieder zu einem Erntestopp geführt. In einigen Regionen stehen
die Mähdrescher seit nun mehr als einer Woche in den Scheunen
und warten auf eine neue Schönwetterperiode für den Abschluss
der Getreideernte.
Während die Gerstenernte beendet werden konnte und die Rapsernte
weitestgehend in den Silos lagert, befinden sich noch mehr als
25 Prozent des Weizens auf dem Halm. Diese wichtigste
Getreideart Deutschlands wurde in diesem Jahr auf 3,1 Millionen
Hektar angebaut. Auch bei Roggen, Triticale und Hafer müssen
noch nennenswerte Flächen geerntet werden.
Erfreulich entwickeln sich auf den bisher geernteten Flächen die
Erträge, die sich nach der Dürre und Flut in den letzten beiden
Jahren wieder auf einem guten Niveau einstellen. Bei der
Wintergerste liegt die geschätzte Gesamterntemenge auf einem
Niveau von ca. 9,5 Millionen Tonnen, 8,8 Prozent über dem
fünfjährigen Mittel und sogar 36,3 Prozent über dem
dürregezeichneten Ergebnis vom Vorjahr.
Auch die Sommergerste, deren Anbaufläche um 18,4 Prozent
gegenüber dem Vorjahr eingeschränkt wurde, weist auf Grund der
guten Hektarerträge, die im Durchschnitt auf 5,2 Tonnen je
Hektar geschätzt werden, einen Rückgang der Gesamterntemenge auf
ca. 3,2 Millionen Tonnen auf, dies sind etwa 10,9 Prozent
weniger als im letzten Jahr (3,6 Millionen Tonnen). Bei Roggen
dürfte sich ein Gesamtergebnis von ca. 3,5 Millionen Tonnen
einstellen. Danach wurden im Durchschnitt 5,6 Tonnen je Hektar
geerntet. Die Hektarerträge liegen nach dieser Schätzung etwa
8,2 Prozent über dem langjährigen Mittel und 31,8 Prozent über
dem letztjährigen Ergebnis, das von den be¬sonders hohen
dürrebedingten Ertragsausfällen auf den brandenburgischen
Roggenfeldern gekennzeichnet war.
Das Gesamtergebnis der Deutschen Getreideernte wird am stärksten
durch den Weizen bestimmt, dessen Ernte erst in den nächsten
Wochen abgeschlossen werden kann. Zur Zeit müssen die Landwirte
noch mehr als 775.000 Hektar Weizen ernten. Nach den bisher
vorliegenden Ernteergebnissen hat sich ein Hektarertrag von ca.
7,8 Tonnen eingestellt. Sollte es nach den jüngsten Regenfällen
nur zu geringen Ertragsausfällen kommen und kann die Ernte in
den nächsten Tagen zügig voranschreiten, dürfte die Gesamternte
in einem Korridor von 45 - 48 Millionen Tonnen liegen. Damit
bewegt sich das Ergebnis deutlich über dem letztjährigen
Ergebnis von 39,5 Millionen Tonnen und ist etwas oberhalb des
fünfjährigen Mittels von 44,5 Millionen Tonnen anzusiedeln.
Erfreulich präsentiert sich auch das Ergebnis beim Raps, nach
der bisherigen Schätzung wurde bei den Hektarerträgen mit 3,9
Tonnen die Schwelle von 4 Tonnen nur knapp verfehlt. Das
Gesamtergebnis, des auf rund 1,25 Millionen Hektar angebauten
Winterrapses, dürfte sich danach auf ca. 4,89 Millionen Tonnen
belaufen.
Blick über die Regionen:
Aus dem Süden Deutschlands werden durchweg deutlich bessere
Wintergerstenergebnisse gemeldet. Sowohl in Bayern als auch in
Baden-Württemberg wurde ein Ertrags-Plus gegenüber dem
Vorjahresergebnis von 20 Prozent gemeldet. Dabei haben die
badischen Bauern eine Wintergerstenernte mit Hektarerträgen von
6 Tonnen je Hektar bis 8 Tonnen je Hektar eingebracht. Die
Preise für die qualitativ hochwertige Gerste bewegen sich auf
einem Niveau von 80 Euro je Tonne bis 90 Euro je Tonne. Auch bei
der Sommergerste wird aus diesen Regionen eine erfreulich gute
Ernte gemeldet. Für Preisnotierungen von 100 Euro je Tonne bis
110 Euro je Tonne finden die guten Qualitäten ihren Markt. Die
Weizenernte ist im Süden Deutschlands zu 75 Prozent eingebracht.
Dabei wird von einem Ertragsanstieg von 25 Prozent ausgegangen.
In Baden-Württemberg wird von Ertragsspitzen bis 10 Tonnen je
Hektar berichtet. Die Preise liegen beim Weizen in Bayern für
besten A-Weizen bei 100 Euro je Tonne. B-Weizen findet in ein em
Preisbereich von 85 Euro je Tonne bis 95 Euro je Tonne seinen
Markt. Geprägt von der guten Ernte entwickeln sich auch die
Preise beim Raps. Die Preisgebote bewegen sich einheitlich bei
190 Euro je Tonne bis 200 Euro je Tonne für Raps, der im Süden
Deutschlands gute Ölgehalte oberhalb von 92 Prozent hat.
In Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen lagen in diesem Jahr die
Wintergerstenerträge um 15 Prozent bis 25 Prozent oberhalb der
trockenheitsgezeichneten Ernte des letzten Jahres. Preise
zwischen 70 Euro je Tonne und 95 Euro je Tonne werden für
trockene Gerste in der Ernte gezahlt. Während in Rheinland Pfalz
die Sommergerstenernte mit guter Vollkornausbildung
abgeschlossen ist, müssen hessische Bauern noch 30 Prozent der
Flächen ernten. Auch beim Weizen haben die hessischen Bauern
erst 60 Prozent der Flächen abgeerntet, während ihre Kollegen in
Rheinland-Pfalz bereits mehr als 80 Prozent der Weizenfläche
abgeerntet haben. Die Preise für Grundqualitäten bewegen sich
auf einem Niveau von 80 Euro je Tonne bis 85 Euro je Tonne.
Spitzenqualitäten werden mit bis zu 110 Euro je Tonne honoriert.
Dies zeigt eine deutliche Qualitätsdifferenzierung, die
angesichts der aktuellen Wetterbedingung sicherlich auch den
weiteren Marktverlauf prägen wird.
Die Landwirte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen konnten
eine um 10 Prozent bessere Gerstenernte einfahren. Angesichts
der guten Bedingungen auf dem Veredelungsmarkt können die
Getreideanbauer in den Zuschussregionen auf bessere Preise
hoffen, in der Spitze werden 105 Euro je Tonne gezahlt. Die
niedersächsischen Braugerstenerzeuger konnten bei der
Sommergerste gegenüber dem Vorjahr kaum Ertragszuwächse
verzeichnen. In einigen Regionen bewegen sich die Erträge sogar
unter Vorjahresniveau, wobei diese auch einen geringen
Vollgerstenanteil aufweisen. Die Weizenernte ist sowohl im
Rheinland als auch in Westfalen noch nicht abgeschlossen. Es
stehen zum jetzigen Zeitpunkt, einen für diese Region späten
Erntezeitpunkt, noch mehr als 15 Prozent des Weizens auf dem
Halm. Angesichts der Einstandspreise von 92,85 Euro je Tonne
liefern die Landwirte nur verhalten aus der Ernte an.
Die Niedersächsischen Landwirte berichten von einer
überdurchschnittlichen Weizenernte, die in der Spitze bis zu 11
Tonnen je Hektar reicht. Preisgebote reichen in der Spitze bis
zu 110 Euro je Tonne und fördern damit das Abgabeverhalten.
Anders ist die Preissituation für die Roggenerzeuger in
Niedersachsen, gute Erträge haben den Preis auf ein Niveau von
72,50 Euro je Tonne fallen lassen. Allerdings werden in den
Futterzuschussregionen zu diesem Zeitpunkt bereits 90 Euro je
Tonne geboten.
Die Küstenregionen in Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern haben die Wintergerstenernte auf einem
guten Niveau beendet. In Schleswig-Holstein dürften die Erträge
des letzten Jahres bestätigt werden und in
Mecklenburg-Vorpommern konnte sogar ein 10-prozentiges Plus
eingefahren werden. Wobei die 2003 dürregeschädigten Regionen
Mecklenburg-Vorpommerns sogar bis zu 50 Prozent mehr erzielen
konnten. Traditionell kennzeichnet beide Länder eine späte
Weizenernte, so dass erst 50 Prozent der Flächen abgeerntet
sind. Der bisher geerntete Weizen weist dabei eine gute Qualität
auf, Fallzahlen von 76 bis 82 Kilogramm je Hektoliter sind keine
Seltenheit. Der Proteingehalt bewegt sich auf einem Niveau von
12 Prozent bis 13,9 Prozent. Der landschaftsbildprägende Raps
ist mit guten Erträgen geerntet worden. Das Ernteergebnis dürfte
im Mittel um 10 Prozent oberhalb des letztjährigen Durchschnitts
liegen. In der Spitze werden Preise bis 220 Euro je Tonne
gezahlt.
Die klimatisch stärker kontinental geprägten Regionen
Ostdeutschlands haben von dem bisherigen Vegetationsverlauf
besonders bei der Wintergerste profitiert. In Thüringen konnten
im Durchschnitt bis zu 20 Prozent höhere Gerstenerträge erzielt
werden. Mit durchschnittlich 6,5 Tonnen je Hektar liegt in
Brandenburg der Ertrag um 25 Prozent über dem langjährigen
Mittel. Auch beim Roggen, der in den meisten ostdeutschen
Regionen, wegen seiner Winterhärte, eine besondere Bedeutung
hat, ist bis auf Restflächen abgeerntet. Gute Erträge mit einem
deutlichen Plus gegenüber dem Vorjahr sind kennzeichnend. Dabei
reicht der Ertragszuwachs von 10 Prozent in Sachsen bis 50
Prozent in Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Anders als in den westdeutschen Regionen ist die Weizenernte in
Ostdeutschland erst zur Hälfte eingefahren. Sollten sich die
bisher guten Ernteergebnisse in diesen Regionen bestätigen, kann
man in Deutschland eine Weizenernte von über 24 Millionen Tonnen
erwarten. Gegenüber der Weizenernte ist die Rapsernte in
Ostdeutschland weitestgehend abgeschlossen. Mit einem
Durchschnittsertrag von 3,8 Euro je Hektar liegt in Brandenburg
der Ertrag 38 Prozent über dem langjährigen Mittel.
Gute Ernte von
hohen Kosten überlagert
DBV-Generalsekretär zieht Erntebilanz
Insgesamt ist die Ernte 2004 zufrieden stellend ausgefallen. Sie
hat aber durch den zögerlichen Verlauf auf Grund der Witterung
stark an den Nerven der Bauern gezerrt. „Die deutsche
Landwirtschaft hat bis auf die noch ausstehenden Flächen eine
qualitativ äußerst gute Getreide- und Rapsernte, aber auch Obst-
und Gemüseernte eingefahren, die auch mengenmäßig mit ca. 48
Millionen Tonnen Getreide überzeugt.“ Dies betonte der
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Helmut
Born, anlässlich der Pressekonferenz des DBV zur vorläufigen
Abschlussbilanz der Ernte 2004. Damit konnte der dürrebedingte
Einbruch des letzten Jahres wettgemacht und an die langfristige
Ertragsentwicklung angeknüpft werden. Da die Getreideernte in
den wichtigsten Produktionsgebieten der Europäischen Union
ebenfalls günstig verlaufen sei, könnten die Verbraucher von
einer stabilen Versorgungssituation bei Nahrungsmitteln
ausgehen. Eine erntebedingte Preisdelle mindert aber die
Erzeugerpreise, di ese müsse durch Einlagerung ausgeglichen
werden. Entgegen der Meinung vieler, sind die Lagerbestände aber
immer noch auf einem niedrigen Niveau. Die weltweite Getreide-
und Ölsaatenproduktion in den letzten Jahren habe mit dem
steigenden Verbrauch nicht mehr mithalten können, so Dr. Born.
Gerade zur Ernte möchte der DBV auch auf die wirtschaftlich
angespannte Situation der Landwirte aufmerksam machen. Landwirte
produzieren unter hohen Auflagen und mit einer großen
Verantwortung den Verbrauchern und der Umwelt gegenüber. Auch
die Energiepreisverteuerung treffe die Bauern hart.
Vor diesem Hintergrund fordert der DBV die Politik auf,
Verantwortung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Landwirtschaft zu übernehmen. Weitere Kostenbelastungen durch
das geplante Haushaltsbegleitgesetz 2005 sind nicht hinnehmbar
und schaffen neuerliche Wettbewerbsnachteile. Deshalb dürften
die Pläne im Haushaltsbegleitgesetz, zum Beispiel zur
Steuererhöhung bei Agrardiesel, nicht Wirklichkeit werden. Das
brächte den deutschen Landwirten eine Kostenmehrbelastung im
Ackerbau von rund 30 Euro je Hektar hinnehmen. Schon jetzt
fahren die deutschen Bauern beim Agrardieselsteuersatz ihren
europäischen Konkurrenten hinterher.
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