Ministerium für Wirtschaft und
Arbeit
Pressemitteilung Nr.: 045/05
Sachsen-Anhalts
Landesregierung hat heute beschlossen, gegen das
novellierte Gentechnikgesetz ein Normenkontrollverfahren
beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten. Darüber
informierte Wirtschaftsminister Dr. Horst Rehberger nach der
entsprechenden Kabinettssitzung auf einer Pressekonferenz in
Berlin. Die Antragsschrift werde in diesen Tagen in
Karlsruhe vorgelegt, so der Minister.
„Das Gentechnikgesetz der
Bundesregierung ist mit den Grundrechten der Berufsfreiheit,
der Wissenschaftsfreiheit, dem Eigentumsschutz und dem
Allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar“, fasste
Rehberger beim Vorstellen der Antragsschrift zusammen. Damit
sei das Gesetz ein Gentechnikverhinderungsgesetz, das
Landwirte diskriminiere, die zugelassenes, gentechnisch
verändertes Saatgut anbauen wollten. Gleichermaßen würden
Wissenschaftler in einer nicht zu tolerierenden Weise in
ihrer Arbeit behindert. Die Chancen der grünen Gentechnik zu
nutzen, sei mit dem Gesetz wirtschaftlich und
wissenschaftlich nicht mehr möglich, kritisierte der
Minister. Die rigide Gesetzgebung entbehre jeder Grundlage
außer der einer grünen Ideologie und gehe weit über die
Anforderungen der Europäischen Kommission hinaus.
Die Biotechnologie wird
von der Landesregierung Sachsen-Anhalts als eine der
wichtigsten Wachstumsbranchen intensiv gefördert. Mit der
2003 gestarteten Biotechnologieoffensive soll Sachsen-Anhalt
systematisch als führende Biotechnologieregion ausgebaut
werden. In Sachsen-Anhalt sind im Bereich
Biotechnologie insgesamt mehr als 30 Firmen und
Forschungseinrichtungen mit rund 2.000 Mitarbeitern
ansässig. Derzeit entsteht in Gatersleben, einem der
deutschen Zentren der wissenschaftlichen Pflanzenzucht und
grünen Gentechnik, ein Gewerbegebiet speziell für Firmen der
Pflanzenbiotechnologie.
Das Konzept für die 35-Millionen-Investition
sieht eine auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtete
Kombination von Rohbauten, Fertiglaborgebäuden, unbebauten
Flächen, Gewächshäusern und Freilandflächen vor. Die ersten
Bauten werden im Sommer diesen Jahres bezugsfertig sein.
Von Sachsen-Anhalt aus war durch den
InnoPlanta e.V. im vergangenen Jahr der bis dahin einmalige
bundesweite Erprobungsanbau mit gentechnisch verändertem
Mais koordiniert worden. Dieser hatte klar gezeigt, dass die
Koexistenz der verschiedenen Anbauformen durch die
Einhaltung einfacher Regeln einer Guten fachlichen Praxis
machbar ist. Der Anbau war von der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg wissenschaftlich begleitet worden.
Aus der
Antragsschrift:
Die im Gentechnik-Gesetz getroffenen Haftungsregelungen (§ 36 a GenTG) kommen
einer verdeckten Gefährdungshaftung gleich. Dadurch wird der
Landwirt, der gentechnisch verändertes Saatgut einsetzt, in
seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
eingeschränkt.“ Die Haftungsvorschrift hat eine vom
Gesetzgeber bezweckte, verhaltenslenkende Funktion für
berufsbezogene Tätigkeiten (hier in einem
Haftungssonderrecht für den Anbau von GVO). Die Regelungen
verstoßen gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen das
Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es gibt in Bezug auf die
Schwellenwerte keine klare Rechtsordnung, das Haftungsrisiko
wird einseitig auf den Verwender von GVO verlagert.
Darüber hinaus verletzen die
Haftungsbestimmungen auch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG,
weil die GVO-Verwender einseitig belastet werden. Mit Blick
auf die Haftungsregelungen wird auch eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf den Schutz und die
freie Nutzung des Eigentums gesehen. „Es ist
absurd, dass gentechnisch verändertes Saatgut, das über ein
rigides Zulassungsverfahren zur Aussaat genehmigt ist, mit
dem neuen Gentechnikgesetz wieder als Gefahrgut eingestuft
wird“, beklagte Wirtschaftsminister Dr. Horst Rehberger.
Auch die vorgesehenen
Regelungen über die
Vorsorgepflicht verletzen das Grundrecht der
Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs.
1 GG und sind von daher verfassungswidrig. Verwender
von GVO werden durch das neue GenTG zur Einhaltung der guten
fachlichen Praxis verpflichtet. Die gesetzlichen
Anforderungen können durch Rechtsforderung der
Bundesregierung näher bestimmt und nahezu beliebig
verschärft werden.
Ebenso verletzt die durch das neue
Gentechnikgesetz eingeführte Legaldefinition des Inverkehrbringens die
Wissenschaftsfreiheit
aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.
Das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens führt im Zusammenwirken
mit den Haftungsbestimmungen dazu, dass jeder
Freisetzungsversuch zu einem unkalkulierbaren
wirtschaftlichen Risiko wird. Damit besteht die
Wahrscheinlichkeit, dass Forschung und Entwicklung im
Bereich der grünen Gentechnik – die auf Freisetzungsversuche
angewiesen ist – in Deutschland weitestgehend zum Erliegen
kommt.
Schließlich sind die Bestimmungen
über das
Standortregister verfassungswidrig. Das
Standortregister verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art.
2 Abs. 1 in Verbindung mit 1 Abs. 1 GG).
Weiterhin werden der verfassungsrechtliche
Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG) und die
Berufs- und Erwerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
verletzt. „Sollten diese Regelungen, wie angekündigt, im
Sinne Sachsen-Anhalts überarbeitet werden, so würden in
diesem Punkt die Forderungen des Landes auch ohne das
Verfahren vor dem Verfassungsgericht vorzeitig erfüllt
werden“, so der Wirtschaftsminister.
Source:
The Scientist
Suit filed against German GM law - A
challenge to the controversial crop regulation is taken to
the country's highest court
Sachsen-Anhalt, one of
Germany's 16 states, yesterday (April 12) filed a lawsuit at
the country's highest court against national regulations
governing genetically modified (GM) crops.
The suit brought to the
Federal Constitutional Court argues that the law
discriminates against farmers who want to grow approved GM
crops and constrains scientific work in an intolerable
manner, said
Horst Rehberger, minister for economics and labor in
Sachsen-Anhalt.
"The GM law is inconsistent
with basic laws such as the Freedom of Profession, the
Freedom of Science, the Protection of Property and the
general principle of equality," Rehberger told reporters in
Berlin. Rehberger is a member of the Liberal Democratic
Party (FDP). The GM law, he said, "far exceeds EU regulatory
requirements."
The law has been in force
since the beginning of the year, but has been widely
criticized for clauses that hold planters of GM crops
liable for economic damage to nearby fields. The law
also mandates the establishment of a publicly accessible
location register that allows anyone to see where GM crops
are planted. Fields with GM plants have been
destroyed repeatedly by opponents of green biotechnology
in Germany.
Sachsen-Anhalt, an
economically poor state in the eastern part of the country,
has been promoting biotechnology as an important growth
sector since 2003. Thirty biotech companies are based there
and the first nationwide field trial for GM corn, designed
to investigate the coexistence of GM and conventional corn,
was coordinated by Sachsen-Anhalt last year.
Renate Künast, Germany's agriculture minister and member
of the Green Party called the suit "perfidious." She faces
increasing resistance to her policies on green biotechnology
and to the law, which was drafted by her office. Critics
accuse her of hindering the introduction of GM plants for
ideological reasons.
Last month, Künast had to
defend in Parliament (Bundestag) her decision to
cancel at least two research projects into the safety of
GM crops that were to have been conducted in government
institutes.
Then, on March 17, Künast
fired Herrmann Schlagheck, head of one of six departments in
her ministry and a recognized expert on plant breeding.
Künast's office did not want to comment on the dismissal,
but
Helmut Heiderich, spokesman on biotechnology for the
Christian Democrat (CDU) opposition in the Bundestag, told
The Scientist: "Schlagheck was very technically
oriented. So he did not have the right ideological
orientation."
The National Office of
Breeds (Bundessortenamt), an authority under Schlagheck's
command, had complained in an official letter at the end of
February that it was unable to evaluate GM crops, because of
"the general framework in the new GM law."
In this context, it appears
that the law will be changed soon. Künast has already
signalled that she is ready for certain changes. For one
thing, the publicly available part of the location register
on the Internet will now not show the exact fields where GM
crops are planted, only general areas.
There is also an ongoing
debate over a liability fund for farmers and scientists that
will pay for damages to neighboring fields if crops are
contaminated. Künast and Chancellor Gerhard Schröder favor
such a fund, at least if the damages are caused by public
projects. It is unclear though, who will pay into the fund.
The government needs to
find a compromise with the opposing parties, because the GM
law has a second part that is supposed to pass the upper
house, the Bundesrat, on April 29. In the Bundesrat, the
majority—CDU/CSU—is demanding changes in the first part of
the law, which did not need the approval of the upper house,
before it passes the second part of the law.
"All we want," said
Heiderich, "are the same competition rules that the rest of
Europe has."
Links for this article
Horst Rehberger
www.sachsen-anhalt.de/rcs/LSA/pub/L_EN_2/fldsxa3e3yliy/fldc0xjrt1d1q/fldxnoltx50y2/pgo48fxio5dq/index.jsp
N. Stafford, "GM law 'a blow for science,'" The
Scientist, December 1, 2004.
http://www.biomedcentral.com/news/20041201/01
N. Stafford, "German GM wheat trials continue," The
Scientist, April 13, 2004.
http://www.biomedcentral.com/news/20040413/03/
Renate Kϋnast
http://www.renate-kuenast.de/
G. Kienzlen, "Politician stopped GM studies," The
Scientist, March 08, 2005.
http://www.biomedcentral.com/news/20050308/01
Helmut Heiderich
http://www.bundestag.de/mdb15/mdb14/bio/H/heidehe0.html