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Lauschangriff auf freiem Feld: Max-Planck-Wissenschaftler haben begonnen, das chemische Vokabular zwischen Pflanzen auch mithilfe der grünen Gentechnik zu entschlüsseln
Spying in the fields: Using genetic engineering, researchers at the Max Planck Institute have started to decipher the chemical vocabulary of inter-plant communication
Jena, Germany
February 15, 2006

Quelle: Max-Planck Gesellschaft

Als Antwort auf Schädlingsbefall setzen Pflanzen flüchtige Duftstoffe frei. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena sind jetzt der Frage nachgegangen, wie ein Informationstransfer zwischen benachbarten Pflanzen auf der Basis dieser chemischen Duftstoffe funktionieren könnte. Aus Laboruntersuchungen gab es erste Hinweise; allerdings spiegeln diese nicht unbedingt die Freilandbedingungen wieder. Die Max-Planck-Forscher untersuchten daher - u.a. auch im Feld - die Abwehrreaktion des Wilden Tabaks (Nicotiana attenuata) auf Schädlingsbefall, nachdem er Duftsignale einer eng benachbarten und verwundeten Pflanze, nämlich des Wüstenbeifuß (Artemisia tridentata), empfangen hatte. Sie fanden heraus, dass Tabakpflanzen im Vergleich zu Artgenossen, die nicht die Gelegenheit hatten, am Wüstenbeifuß zu "spionieren", besonders schnell und effizient ihre Schädlinge abwehrten (Oecologia, Februar 2006). Dieses Phänomen wird "Priming" genannt. Mithilfe gentechnisch veränderter Pflanzen haben die Jenaer Wissenschaftler nun begonnen, die Duftstoffe zu identifizieren, die diesen positiven Effekt auf die Schädlingsabwehr der Nachbarpflanze haben.

Abb. 1 Großer Lauschangriff: Wilder Tabak (Nicotiana attenuata, im Vordergrund) belauscht die Duftsignale des Wüstenbeifuß (Artemisia tridentata tridentata). Beide Pflanzen sind natürliche Bewohner des Great Basin Deserts in Utah, USA.
Bild: MPI für chemische Ökologie, Rayko Halitschke

Erstaunlicherweise verstärken die Tabakpflanzen ihre Abwehr erst dann, wenn sie wirklich attackiert werden, und nicht unmittelbar nachdem sie die Signale der verletzten Nachbarpflanze wahrgenommen haben. Dieses Verhalten ist aus Sicht der Pflanze sinnvoll: Wenn sie das Duftsignal alleine schon zum Anlass nähme, ihre wertvollen Ressourcen in Abwehrmoleküle umzuwandeln, wäre dies zu ihrem Nachteil, wenn sie am Ende doch nicht befallen würde und trotzdem Energie in die Abwehr gesteckt hätte. Zu den Abwehrsubstanzen gehören die so genannten Proteinase-Inhibitoren (TPIs), welche die Verdauung pflanzenfressender Raupen hemmen. Noch unbeantwortet ist die Frage, inwieweit diese Kommunikation zwischen Tabak und Beifuß eine Rolle in der Ökologie beider Arten spielen könnte.

Die Wissenschaftler vom Jenaer Max-Planck-Institut wollen nun auch die Details des pflanzlichen Informationsaustausches innerhalb einer Art aufklären. Ein erstes, interessantes Resultat liegt bereits vor: Pflanzen des Wilden Tabaks (Nicotiana attenuata) "riechen" und erkennen komplette Duftbouquets ihrer Artgenossen, die aus verschiedenen gasförmigen Molekülen bestehen [2]. Mithilfe einer gentechnisch veränderten Pflanze (einer so genannten "stummen" Pflanze), die ausgewählte Duftstoffe nicht mehr produzieren kann, wurde gezeigt, dass die Zusammensetzung des Aromas sehr wesentlich ist. Durch das Fehlen bestimmter Substanzen im Aroma der stummen, transgenen "Senderpflanzen" reagierten die benachbarten Empfängerpflanzen anders als wenn das Duftbouquet vollständig gewesen wäre.

Bei ihren Untersuchungen legen die Biologen großen Wert darauf, Labor- und Freilanduntersuchungen zu kombinieren und Laborversuche so "realistisch" wie möglich durchzuführen. Üblicherweise werden Pflanzen im Labor für Duftanalysen in relativ enge Glascontainer oder Kammern eingesperrt, was die Konzentration von gasförmigen Molekülen künstlich erhöht. Erschwerend kommt hinzu, dass Pflanzen - in den Gläsern luftdicht eingeschlossen - schnell unter CO2-Mangel leiden. "Um diesen Mangel zu kompensieren, öffnet die Pflanze ihre Spaltöffnungen, durch die dann neben CO2 auch mehr Duftmoleküle ins Blattinnere gelangen. Dadurch kann die Reaktion der Empfängerpflanze künstlich verstärkt oder verfälscht werden" erklärt Anja Paschold.
 

Abb. 2 Annäherung an natürliche Bedingungen für Reihenuntersuchungen: Die kontinuierliche Versorgung mit Frischluft (gestrichelte Pfeile) sorgt für den Duftausstausch zwischen zwei Signalpflanzen und vier Empfängerpflanzen. In letzteren werden die Reaktionen auf die Duftmoleküle untersucht. Signalgeber sind sowohl unveränderte als auch transgene, "stumme" Tabakpflanzen, die bestimmte Duftmoleküle nicht synthetisieren können.

Bild: MPI für chemische Ökologie, Anja Paschold

Die Wissenschaftlerin hatte in ihrer Arbeit [2] die Duftkommunikation zwischen Tabakpflanzen einerseits unter "realistischen" Bedingungen, andererseits mit Hilfe transgener "stummer" Pflanzen untersucht (Abb. 2). Dabei fand sie heraus, dass weder das vollständige Duftstoffprofil von Wildtyp-Pflanzen noch das um einige Duftmoleküle beraubte Profil von gentechnisch veränderten Pflanzen die schon bekannten Abwehrmechanismen in Empfängerpflanzen beeinflusste: Nikotin-, Jasmonsäure- und Proteinase-Inhibitor-Gehalte änderten sich kaum, und auch ein "Priming"-Effekt konnte nicht nachgewiesen werden. Allerdings ergaben Untersuchungen der Genexpression, dass deutlich mehr Gene in der Empfängerpflanze reguliert waren, wenn dem Duftstoffgemisch Blattalkohole und -aldehyde, die den bekannten Duft des frisch gemähten Rasens erzeugen, fehlten. Wurde das unvollständige Duftstoffbouquet wiederum durch synthetische Blattalkohole und- aldehyde vervollständigt, waren die Gene "unreguliert". Anscheinend werden also zumindest innerhalb einer Art durch Duftsignale von Pflanze zu Pflanze bestimmte Gen-Gruppen angeschaltet, andere dagegen abgeschaltet. Die Funktion der meisten dieser Gene ist noch unklar und wird jetzt analysiert.

Am Beispiel des Wilden Tabaks wollen die Wissenschaftler um Ian Baldwin die "chemische Sprache", mit der sich Pflanzen miteinander unterhalten, systematisch erforschen [3]. Neben den "stummen" transgenen Senderpflanzen sollen auch "taube" Empfängerpflanzen zum Einsatz kommen, die bestimmte Duftmoleküle nicht mehr wahrnehmen können, weil ihnen der entsprechender Rezeptor fehlt. Ohne die Methoden der Gentechnik wäre diese spannende Grundlagenforschung nicht möglich.

Originalveröffentlichung:

[1] André Kessler, Rayko Halitschke, Celia Diezel, Ian T. Baldwin
Priming of plant defense responses in nature by airborne signaling between Artemisia tridentata and Nicotiana attenuata
Oecologia, online first, DOI 10.1007/s00442-006-0365-8

[2] Anja Paschold, Rayko Halitschke, Ian T. Baldwin
Using "mute" plants to translate volatile signals
The Plant Journal 45, 275 - 291 (2006)

[3] Ian T. Baldwin, Rayko Halitschke, Anja Paschold, Caroline C. von Dahl, Catherine A. Preston
Volatile signaling in plant-plant interactions: "talking trees" in the genomics era
Science 311, 812 - 815 (2006)


Spying in the fields: Using genetic engineering, researchers at the Max Planck Institute have started to decipher the chemical vocabulary of inter-plant communication

Translated by Mark Hucko, Checkbiotech

As an answer to an insect attack, plants release volatile scents. Scientists at the Max-Planck Institute for Chemical Ecology in Jena, Germany have been investigating chemical-scent exchange between neighboring plants.

Preliminary laboratory research hinted at the first evidence, however these lab results did not necessarily reflect field conditions. Thus, the Max-Planck researchers have investigated (with field trials as well) the defense reaction of the wild tobacco plant (Nicotiana attenuate) to an insect pest attack, after it had received scent-signals from a neighboring and wounded plant - the Great Basin Sage Brush (Artemisia tridentata).

They found that the tobacco plants that had the opportunity to eavesdrop on the Great Basin Sage Brush, could quickly and efficiently fight off the insects, when compared to other tobacco plants which did not have this opportunity (Oecologia, February 2006). This phenomena is called “priming.”

With the help of genetically modified plants, the Jena scientists have started to identify the scents that allow neighboring plants fight off an insect attack. With their studies, the researchers were able to show that tobacco plants were able to increase their defenses only after they had been actually attacked, and not right after they had received the signals from wounded, neighboring plants.

This behavior makes sense for the plant. If it had reacted to the scent-signal to convert its valuable resources into defense-molecules, this would put the plant at a disadvantage, because it would have invested energy into defense mechanisms that might not be needed since it had not actually been attacked.

One of the defense-substances are the so-called proteinase-inhibitors (TPIs), which hamper the digestion of caterpillars. One question that remains to be answered is to which extent does this communication between tobacco and sage brush play a role in the ecology of both species.

Scientists at the Max-Planck Institute in Jena now want to explain the details of inter-plant communication within one single species. A first interesting result materialized, when the researchers were able to demonstrate that wild tobacco plants (Nicotiana attenuate) could “smell” and recognize the entire scent-bouquet of other tobacco plants of the same species. These scents are made up of various volatile chemicals.

With the help of genetically altered plants (or a so-called “silent” plant), which could no longer produce selected scents, the researchers showed that the scent composition is very important. With the absence of certain substances in the scent of the silent, “broadcasting” plants, the neighboring receiver-plants reacted differently than if the scent-bouquet were complete.

During their investigation the biologists made an effort to combine laboratory and field experiments in order to make all laboratory experiments as realistic as possible. Traditionally, the plants were enclosed in relatively confined glass containers during the scent-analysis in the laboratory. This artificially increased the concentration of gas-forming molecules from the plants. In addition, after the plants had been enclosed in these glass containers, they suffered from CO2 deficiency.

“To compensate for this deficiency, the plant opens up its stomata, through which CO2 and more scent-molecules can pass into the interior of the plant. Due to this, the receiver-plant’s reaction can be artificially amplified or distorted,” explains Dr. Anja Paschold.

In her work, Dr. Paschold had researched the scent-communication between tobacco plants under “realistic” conditions on the one hand, and then she also used the help of “silent” transgenic plants as a contrast. She found that neither the complete scent-profile of wild-type plants, nor the partially reduced profile of genetically engineered plants influenced the defense mechanisms of the receiver-plants. She also noticed that nicotine, jasmonic-acid, and proteinase inhibitors were practically unchanged and that the priming effect could not be determined.

However an analysis of the gene expression showed that clearly more genes in the receiver-plants were turned on when the scent-bouquet lacked leaf-alcohols and aldehydes, which for example produce the well known scent of freshly mowed grass. When the partial scent-bouquet again was complemented with synthetic leaf-alcohols and leaf-aldehydes, then the genes were turned off.

Apparently, at least in one species, various groups of genes could be turned on and off as a result of inter-plant scent signals. The function of the majority of these genes is not yet clear, and is now being further investigated.

With the example of wild tobacco, the scientists under Dr. Ian Baldwin’s direction want to eventually systematically research the “chemical language” that plants use for communication. Beside using “silent” broadcasting-plants, further tests will look at “deaf” receiver-plants, which cannot recognize certain scent molecules, because they lack the corresponding receptor. The researchers note that this ground-breaking research would not be possible without biotechnology.

© Max-Planck Gesellschaft

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