Germany
July 25, 2007
Quelle:
bioSicherheit.de (GMO Safety)
Nach monatelangen Verhandlungen
hat sich Landwirtschaftsminister Horst Seehofer mit seinen
Koalitionspartnern aus CDU und SPD auf neue Regeln für den Anbau
gentechnisch veränderter Pflanzen geeinigt. Wie Seehofer am
Dienstag der Presse mitteilte, müssen Anbauflächen von gv-Mais
und konventionellem Mais künftig mindestens 150 Meter
voneinander entfernt liegen. Bei ökologischem Maisanbau in der
Nachbarschaft soll ein doppelt so hoher Mindestabstand gelten.
Weitere umstrittene Punkte wie die Haftungsregelungen und das
öffentliche Standortregister bleiben weitgehend unangetastet.
Erleichterungen für die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung von
Lebensmitteln sollen folgen.
Kernstück des Gesetzespaketes ist der Entwurf für eine
Verordnung zur Guten Fachlichen Praxis beim Anbau von
gv-Pflanzen. Die darin formulierten Anbauvorschriften sollen
gewährleisten, dass Vermischungen zwischen gentechnisch
veränderten und konventionellen oder ökologischen Ackerkulturen
weitgehend verhindert werden. Spezielle Vorschriften für den
Maisanbau finden sich in einem Anhang zur Verordnung,
entsprechende Anbauvorschriften für Kartoffeln sollen laut
Seehofer im Herbst folgen.
Abstände und sorgfältiges Arbeiten sollen Vermischungen
verhindern
Uneins waren die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD vor allem
bei den Abstandsvorgaben, die von gv-Mais anbauenden Landwirten
eingehalten werden müssen. Geeinigt hat man sich auf zwei
verschiedene Abstandswerte: 150 Meter Mindestdistanz zu
Ackerflächen mit konventionellem Mais und 300 Meter zu
ökologischem Maisanbau.
Erklärt sich ein benachbarter Mais anbauender Landwirt damit
einverstanden, kann der Mindestabstand auch verringert werden
oder entfallen. Auch bei behördlichen Anbauversuchen kann der
Mindestabstand unterschritten werden. Voraussetzung ist, dass
vor der Blüte die männlichen Blütenstände (Fahnen) entfernt oder
eingetütet werden, damit keine Pollen entweichen können.
Neben den Abstandsregeln werden Landwirte, die gv-Pflanzen
anbauen, noch weitere Vorschriften beachten müssen:
- Informationspflicht: ein
Landwirt, der plant, gentechnisch verändertes Saatgut
auszubringen, muss Nachbarbetriebe im Abstand von 300 Metern
zum dafür vorgesehenen Feld über seine Anbauplanung
informieren. Der Nachbar hat dann einen Monat Zeit zu
antworten und seine eigenen Anbaupläne mitzuteilen.
- Sorgfaltsmaßnahmen: Bei
Aussaat, Lagerung und Transport muss der Landwirt darauf
achten, dass gv-Saat- und Erntegut nicht mit konventioneller
Ware vermischt werden. Dazu muss er beispielsweise
geschlossene Behältnisse verwenden und die verwendeten
Geräte sorgfältig reinigen, bevor sie wieder bei
konventionellem Saat- bzw. Erntegut zum Einsatz kommen.
- Durchwuchskontrolle: der
gv-Pflanzen anbauende Landwirt muss nach der Ernte und in
der folgenden Anbausaison kontrollieren, dass auf einem GVO
-Feld, das im Folgejahr mit konventionellen Pflanzen
bestellt wird, keine Saatreste neu auskeimen.
- Aufzeichnungen: Landwirte
müssen über den Anbau von gv-Pflanzen und die
pflanzenbaulichen Maßnahmen Aufzeichnungen führen.
- Fruchtfolge: Ein
gv-Maisfeld darf frühestens zwei Jahre nach der
gv-Mais-Ernte wieder mit konventionellem Mais bestellt
werden.
Haftung und Standortregister
unverändert
Mit dem Koalitionsvertrag hatte die aktuelle Bundesregierung
angekündigt, auch das Gentechnikgesetz zu überarbeiten und
einige der darin enthaltenen restriktiven Bestimmungen für die
Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen abzumildern. Doch hier
hat sich nicht viel getan. Vor allem an den umstrittenen
Haftungsbestimmungen beim Anbau von gv-Pflanzen hat sich nichts
geändert. Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, haften auch
weiterhin gesamtschuldnerisch für Einkommenseinbußen
konventionell wirtschaftender Nachbarn, auch wenn dem Einzelnen
keine Schuld für GVO-Einträge nachgewiesen werden kann.
Unklar bleibt, wie der Haftungsfall im Detail definiert ist.
Wirtschaftsverbände hatten von der Bundesregierung gefordert,
den GVO-Kennzeichnungsschwellenwert* von 0,9 Prozent
eindeutig als Richtschnur für die Haftung festzulegen.
Demgegenüber plädieren Umweltverbände dafür, einen
Ausgleichsanspruch auch für geringere Vermischungen mit Material
von gv-Pflanzen zu ermöglichen. Laut Minister Seehofer hatte
jedoch eine Expertenanhörung ergeben, dass eine Änderung des
Haftungsrechts weder sinnvoll noch praktikabel wäre.
Im öffentlichen Register für GVO-Anbauflächen sollen nach wie
vor flurstücksgenaue Angaben zu den Flächen über das Internet
einsehbar sein. Kritiker dieser Regelung hatten darauf
hingewiesen, dass es für potenzielle Feldzerstörer zu einfach
sei, Felder mit gv-Pflanzen im Standortregister zu
identifizieren.
Erleichterung für Versuchsanbau
Neu ist dagegen eine Regelung, die vor allem die
Freilandforschung betrifft: Wenn Material aus Freilandversuchen
mit gv-Planzen in herkömmliche Ernten gerät, so soll diese in
Zukunft nicht mehr unverkäuflich sein. Es ist aber
sicherzustellen, dass die betroffenen Ernteprodukte nicht in
Futter- oder Lebensmittel geraten. Eine Verwertung in
Biogasanlagen wäre beispielsweise möglich.
Gemischte Reaktionen
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber bewertet die Einigung positiv.
"Wir sind ganz zufrieden, dass wir zumindest im Öko-Bereich 300
Meter Abstand haben", erklärte er gegenüber der Stuttgarter
Zeitung. Lobende Worte kamen auch von Bundesforschungsministerin
Annette Schavan. Für sie sind die vereinbarten Regelungen ein
"klarer Fortschritt für die Forschung". Auf Unverständnis stößt
sie damit bei der FDP. Laut deren Gentechnikexpertin Christel
Happach-Kasan bietet der Gesetzentwurf "keine Rechtssicherheit,
weil er nicht klar herausstellt, dass der Schwellenwert der
Kennzeichnung auch der Schwellenwert der Haftung ist". Niemand
wisse genau, wann der Haftungsfall eintritt.
Enttäuscht zeigt sich auch der Bundesverband Deutscher
Pflanzenzüchter (BDP). Dessen Geschäftsführer Ferdinand Schmitz
befürchtet, dass der jahrelange Stillstand bei der grünen
Gentechnik nun zementiert werde.
Der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht
neue, ungeklärte Fragen. Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu
Löwenstein nennt als Beispiel die geplante Regelung, dass
Abstände und sonstige Sorgfaltsmaßnahmen unterbleiben können,
wenn betroffene Landwirte darauf verzichten oder sich nicht dazu
äußern. Das sei "in Wirklichkeit ein weiteres Element zur
unkontrollierten Gentechnikausbreitung".
Kritik kam auch von den Grünen. Bundesgeschäftsführerin Steffi
Lemke hält einen Abstand von 300 Metern für ein "absolutes Muss,
das auf alle Felder ausgeweitet werden muss."
Beratungen und Ergänzungen nach der Sommerpause
Landwirtschaftsminister Seehofer will sein Gesetzespaket am 8.
August dem Kabinett vorlegen. Wenn die Ministerrunde die
Regelungen dann verabschiedet, könnten nach der Sommerpause die
Beratungen in Bundestag und Bundesrat beginnen.
Im Herbst will Seehofer zudem eine Verordnung einbringen, die es
vor allem Herstellern von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch
und Milch leichter machen soll, ihre Erzeugnisse mit der
Kennzeichnung "ohne Gentechnik" anzubieten. Die Kriterien
hierfür sollen an die Formulierungen der neuen EU-Ökoverordnung
angeglichen werden.
* Schwellenwert
Höhe (in Prozent) zufälliger, technisch nicht
vermeidbarer Beimischungen von GVOs in Saatgut,
Lebens- oder Futtermitteln.
GVO-Beimischungen bis zur Höhe des jeweiligen
Schwellenwerts sind von der in der EU geltenden
Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Das gilt jedoch
nur, wenn es sich um zufällige, technisch nicht
vermeidbare Beimischungen handelt und wenn die
jeweiligen GVOs zugelassen sind. Absichtliche
Beimischungen von GVOs sind unabhängig von ihrer
Höhe grundsätzlich zu kennzeichnen.
Es sind verschiedene Schwellenwerte zu
unterscheiden:
- Für
Lebensmittel und Futtermittel gilt in der EU ein
Schwellenwert von 0,9 Prozent.
- Noch nicht
entschieden ist über den Schwellenwert für
Saatgut. Die EU-Kommission hatte je nach
Pflanzenart 0,3 - 0,7 Prozent vorgeschlagen. Die
Diskussion darüber dauert an.
- Für transgene
Organismen, die in der Europäischen Union noch
nicht zugelassen sind, die in der EU aber einer
positiven Sicherheitsbewertung unterlagen,
werden für einen Übergangszeitraum von drei
Jahren bis zu einer Schwelle von 0,5 Prozent
toleriert. Danach gilt eine Nulltoleranz.
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