Germany
August 21, 2008
Quelle:
bioSicherheit
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/655.doku.html
Ein neuer Schädling im Maisanbau:
Bekämpfung mit Nebenwirkungen
Noch sind es erst einzelne Tiere, doch es ist nur noch eine
Frage der Zeit, bis er auch in Deutschland zu einem Problem für
den Maisanbau wird: der Maiswurzelbohrer. In Nordamerika, aber
auch in vielen Ländern Süd- und Osteuropas breitet sich der
Käfer rasant aus. Wenn er sich erst einmal etabliert hat, ist er
nicht einfach zu bekämpfen. Im Frühjahr starben in
Südwestdeutschland zahlreiche Bienenvölker. Die Ursache: Eine
unsachgemäße Beizung des Maissaatguts. Die Behörden hatten die
Maßnahme angeordnet, um die weitere Ausbreitung des
Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera) aufzuhalten.
Zwischen Juli und September, der Hauptflugzeit des
Maiswurzelbohrers , werden in vielen deutschen Maisanbaugebieten
Lockstofffallen aufgestellt. Nach den ersten Funden 2007 in der
Nähe von Freiburg wurden im Juli dieses Jahres in Bayern,
Baden-Württemberg und dem benachbarten Elsass zahlreiche Käfer
gefangen. Um der befürchteten schnellen Ausbreitung des neuen
Schädlings in Südbaden und weiten Teilen Deutschlands entgegen
zu wirken, leiteten die Behörden sofortige Bekämpfungsmaßnahmen
ein: Neben einer Insektizidbehandlung gegen die erwachsenen
Käfern wurden um die Fundorte Befalls- und Sicherheitszonen
ausgewiesen. Je nach Anzahl der beobachteten Käfer müssen die
Landwirte verschiedene Auflagen einhalten, die bis zu einem ein-
bis zweijähriger Verzicht auf den Maisanbau in der Fruchtfolge
reichen.
Sollte Diabrotica sich in Deutschland ausbreiten, wären nach
Schätzungen des Julius-Kühn-Instituts (Braunschweig) etwa
350.000 der inzwischen auf 1,8 Millionen Hektar angewachsenen
Maisanbaufläche gefährdet. Ohne Gegenmaßnahmen wird ein
möglicher Schaden auf jährlich mindestens 25 Millionen €
geschätzt.
In den USA zählt Diabrotica zu den bedeutendsten
Maisschädlingen. Die Kosten für die durch ihn verursachten
Schäden und seine Bekämpfung summieren sich jährlich auf etwa
eine Milliarde US-Dollar. Weltweit wird eine Anbaufläche von
etwa 20 Millionen Hektar durch den Maiswurzelbohrer befallen,
davon allein 13,5 in den USA. Diabrotica ist der Schädling,
gegen den sich die meisten Insektizidanwendungen weltweit
richten. Jährlich werden auf 5,2 Millionen Hektar Insektizide
gegen den Maiswurzelbohrer eingesetzt.
Schlecht gebeizt - Bienenverluste durch insektizide Maisbeize
Um ein weiteres Vordringen oder gar eine Ansiedlung des
Schädlings in Deutschland zu verhindern, wurde 2008 auf der
gesamten Maisanbaufläche in der Befalls- und Sicherheitszone nur
noch Maissaatgut ausgebracht, das zum Schutz gegen den Fraß der
Diabrotica-Larven mit einem bestimmten insektiziden Wirkstoffs
gebeizt war. Man folgte damit einer Empfehlung der Fachbehörden,
die angeregt hatten, die Aufwandmenge des Wirkstoffs vorsorglich
zu erhöhen.
Ende April und Anfang Mai 2008 kam es in einigen Regionen in
Südwestdeutschland - genau dort, wo das gebeizte Saatgut
ausgesät worden war - zu einem Bienensterben, bei dem nach den
letzen Erhebungen etwa 11.000 Völker teilweise erheblich
geschädigt wurden. Untersuchungen des Julius-Kühn-Instituts
(JKI) und anderer Fachbehörden bestätigten, dass der in der
Saatgutbeize vorhandene insektizide Wirkstoff Clothianidin für
den Tod der Bienen verantwortlich war. Als Folge einer
unsachgemäßen Beizung des Maissaatgutes entstanden während der
Aussaat Stäube, so dass der Wirkstoff auf Blühpflanzen
verfrachtet wurde. Dass Clothianidin für Bienen schädlich ist,
war seit längerem bekannt. Man war jedoch davon ausgegangen,
dass es keinen Kontakt zwischen Bienen und den am Saatgut
haftenden Wirkstoff gebe.
Mitte Mai ordnete deshalb das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorsorglich das Ruhen der
Zulassung für verschiedene Beizwirkstoffe an. Ob Beizmittel mit
dem Wirkstoff Clothianidin dem Maisanbau im kommenden Jahr
wieder zur Verfügung stehen, entscheidet sich frühestens im
Herbst. Möglicherweise werden verbesserte Verfahren für das
Aufbringen der Beize und die Aussaat des Saatguts
vorgeschrieben, bei denen die Entstehung von Stäube weitgehend
ausgeschlossen ist.
Gentechnisch veränderter Mais:
In den USA das Mittel der Wahl gegen Maiswurzelbohrer
Seit 2003 sind auf dem amerikanischen Markt gentechnisch
veränderte Maissorten verfügbar, die ähnlich wie bei dem
bekannten Konzept gegen den Maiszünsler eine bestimmte Variante
des Bt‑Toxins bilden, die spezifisch gegen die Larven des
Wurzelbohrers wirkt. Mittlerweile sind zahlreiche Sorten
erhältlich, die eine Kombination von Resistenzen gegen beide
Schädlinge sowie eine Herbizidtoleranz besitzen. 2007 wiesen
bereits 40 bis 45 Prozent der angebauten Maispflanzen solche
Mehrfach-Resistenzen aus.
Die neuen gv-Linien zeigen vor allem gute Erfolge gegen die
Larven des Käfers, die große Schäden an den Maiswurzeln
verursachen. Der ausgewachsene Käfer frisst dagegen an den
Blättern und vor allem an den Staubfäden und vermindert dadurch
die Kornausbildung. Diese Schäden fallen dort weniger ins
Gewicht.
In Europa finden erste Freisetzungen mit Diabrotica-resistenten
Linien statt, so unter anderem in Spanien, Osteuropa und
Deutschland. Mit einer Markteinführung solcher Sorten in Europa
wird jedoch in den nächsten Jahren nicht zu rechnen sein.
Maisanbau: Auf Diabrotica einstellen
Derzeit sind in Deutschland nur einzelne, zugeflogene Käfer
beobachtet worden. Die bisher ergriffenen amtlichen
Sofortmaßnahmen wie die Insektizidspritzung gegen den Käfer, die
Ausweisung von Zonen mit zeitlich begrenztem Maisanbauverboten
oder die Empfehlungen einer speziellen Beizung des Maissaatgutes
zielen darauf ab, einer Ansiedlung und damit dem
Populationsaufbau des Maiswurzelbohrers vorzubeugen.
Nach Aussagen von Fachleuten wird dessen Ausbreitung in Europa
jedoch nicht aufgehalten werden können. Der Maisanbau wird sich
auf den Schädling einstellen müssen und in naher Zukunft
geeignete Bekämpfungsstrategien benötigen. Die Erfahrungen aus
den USA zeigen, dass Diabrotica-resistente Maissorten ein
wirkungsvolles Mittel sein können, die Larven direkt an der
Wurzel zu bekämpfen. Solange solche gv-Sorten in Europa nicht
zum Anbau zugelassen sind, kommen die Beizung des Maissaatgutes
mit insektiziden Wirkstoffen oder die Ausbringung von
Bodeninsektiziden als Alternativen in Frage.
Eine Auflockerung der Maisfruchtfolge mit Getreide oder
Blattfrüchten würde zwar die Hauptfutterquelle des
Diabrotica-Käfers unterbrechen, doch allein kann eine solche
Maßnahme allenfalls den Schädlingsdruck mindern und die
Ertragsausfälle reduzieren. Eine Ausrottung des Schädling ist
damit nicht möglich.
Mehr bei bioSicherheit
|
|