Germany
January 8, 2008
Quelle:
SAATEN-UNION News Nr.
49
http://www.saaten-union.de/index.cfm/nav/162/article/3964.html
Während die Preise für
Futtergerste seit Oktober eher den Rückwärtsgang eingelegt
haben, halten sich die Preise für Braugerste, teilweise steigen
sie sogar noch. Mitte November wurden selbst in Hessen, der
Region mit den traditionell niedrigsten Preisen, 280 €/t frei
Handelslager gezahlt. In der Hochpreisregion östliches
Niedersachsen erzielten die Landwirte zur gleichen Zeit 305 €/t.
Aber nicht nur der Preis der Braugerste ist stabil.
Der relative Wert steigt stetig ...
Noch viel stärker als ihr absoluter Wert steigt die relative
Vorzüglichkeit besonders gegenüber Mais. Anfang Oktober betrug
die Relation zwischen Braugerste und Mais im bundesdeutschen
Durchschnitt 1,25:1. Bis Mitte November stieg dieser Wert auf
1,4:1. Die relative Vorzüglichkeit des Braugerstenanbaus nimmt
also stetig zu.
Der Grund für diese Entwicklung lässt sich recht einfach
beschreiben: Mais kann man importieren und ersetzen, bei
Braugerste geht das in Europa nicht. Während Futtergetreide
durch Substitute wie Tapioka, Sorghum, Pellets aus der
Ethanolherstellung und Ölschrote ersetzt werden können, lässt
sich Qualitätsbraugerste zwar durch Rohfrüchte (z.B. Mais in
Mexiko oder Reis in Asien) strecken, nicht aber ersetzen. Ohne
einen Mindestanteil von 7-8 kg Malz/hl kann niemand auf der Welt
Bier brauen. In Deutschland und den meisten anderen EU-Ländern
wird aber nicht gestreckt, und daher benötigt man 14-16 kg
Malz/hl Bier. Importieren kann man Braugerste aufgrund des
begrenzten Angebotes auch nur in sehr beschränktem Rahmen. Mais
dagegen gibt es in Hülle und Fülle. Beispielsweise kann
GVO-freier Mais aus Brasilien und Sorghum in einer Größenordnung
von 10-12 Mio. t importiert werden. Das reicht zwar nicht aus,
um den Getreidemangel in Europa völlig auszugleichen, aber es
reicht, um den Preis zu drücken.
... und der Preis bleibt stabil
Die Quintessenz dieser Zusammenhänge ist klar: Braugerste bleibt
eine – wenigstens in preislicher Hinsicht – verlässliche Frucht,
Mais hingegen ein Wackelkandidat. Hinzu kommt, dass die Mälzer
hohe Einkaufspreise für Braugerste problemlos auf die Brauer und
die wiederum auf den Endverbraucher umlegen können. Ganz anders
ist die Lage beim Mais: Stärkefabriken mögen hohe Einkaufspreise
noch auf ihre Abnehmer in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie
umlegen können. Mischfutterwerke dagegen haben es derzeit
schwer, hohe Maispreise an die Sauenhalter und Schweinemäster
weiterzugeben.
Braugerste
bleibt also eine spannende Kultur, deren Anbau sich 2008 auf
jeden Fall lohnen wird. Hinzu kommt, dass der Preis für die
Ernte bereits im Vorfeld vertraglich abzusichern ist. In den
letzten beiden Jahren war dies ein Verlustgeschäft. Denn in der
Ernte wurden stets weit höhere Preise gezahlt als in den
Vorverträgen zu erzielen war. Trotzdem sollten
Braugerstenerzeuger sorgfältig abwägen, ob es dieses Jahr nicht
vielleicht doch die richtige Strategie ist. Denn aller Knappheit
und Euphorie zum Trotz gilt immer noch das alte Händlerwort:
„Hohe Preise ziehen Ware an“.
Weltweiter Bierkonsum steigt – 2 Mio. t Malz fehlen
Malz dürfte auch im kommenden Wirtschaftsjahr eine knappe Ware
bleiben, selbst wenn die Braugersteflächen ausgedehnt werden
sollten und es zu guten Ernten in der EU und Australien kommt.
Der Rückgang des deutschen Bierkonsums ist global gesehen
nämlich eher eine Ausnahme. Der Weltbierkonsum wächst dagegen
mit Wachstumsraten, die in den letzten Jahren völlig
unterschätzt wurden. Die Branche erwartete ein solides Wachstum
von durchschnittlich 2,5 % im Jahr; tatsächlich waren es in den
letzten Jahren aber 6 %. Das hat inzwischen zu einer Verknappung
der Malzkapazitäten geführt. Von Überkapazitäten wie noch vor
zwei Jahren ist seit einiger Zeit keine Rede mehr, denn dem
weltweiten Malzbedarf von jährlich etwa 22 Mio. t stehen
Malzkapazitäten für nur 20 Mio. t gegenüber. Gestopft werden die
Löcher durch den Einsatz der bereits erwähnten Rohfrüchte. Vor
allem in Asien und Lateinamerika werden diese Möglichkeiten sehr
weit ausgeschöpft. Jedoch ist man dort in den vergangenen Jahren
bereits an die Untergrenze des Malzeinsatzes (7-8 kg/hl Bier)
gegangen, so dass keine weiteren Einsparungen mehr möglich sind.
Nachfrage nach Braugerste steigt weiter
Weltweit sind umfangreiche Neubauten bzw. Erweiterungen von
Malzkapazitäten im Gange, die sich im Kalenderjahr 2008 auf rund
600.000 t Malz summieren dürften. Das vermindert den Rückstand
etwas, reicht aber nicht aus, um den Mangel zu beseitigen.
Deutschland zählt mit zwei neuen Malzfabriken (Koblenz und
Hamburg) mit zusammen etwa 150.000 t Malzproduktion weiterhin zu
den Investitionsstandorten der Mälzer. Daneben gibt es neue
Werke in St. Petersburg, Rumänien, Ukraine, Australien und
Argentinien. Auch in den kommenden Jahren werden zusätzliche
Malzkapazitäten weltweit gebaut werden, so dass die Nachfrage
nach Braugerste weiter rapide steigen wird. Möglicherweise wird
die EU im Zuge dieser Entwicklung sogar zu einem Nettoimporteur
von Braugerste. In diesem Jahr reicht die EU-Braugerstenernte
zwar aus, um den Inlandsbedarf zu befriedigen (Tab. 1). Aber die
Malzexporte können nicht komplett aus der inländischen
Braugerstenproduktion gedeckt werden, selbst wenn man alle
Winterbraugersten und Kompromissgersten mitrechnet.
Importe werden immer teurer
Die EU ist also erstmals auf Braugerstenimporte angewiesen. Die
können nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nur aus Südamerika
kommen. Händler gehen davon aus, dass Argentinien und Uruguay
zusammen etwa 300.000 t bis 500.000 t Braugerste in die EU
liefern werden. Billig wird Braugerste durch mögliche Importe
aus Südamerika aber nicht, denn die Frachtkosten sind inzwischen
auf neue Rekordwert hochgeschnellt. Der Transport einer Tonne
Getreide aus den südamerikanischen Häfen nach Rotterdam, Gent
oder Hamburg kostet inzwischen umgerechnet 70 €! Und ein Ende
der teuren Frachten ist bei den gestiegenen Mineralölpreisen und
dem ungebrochenen Wirtschaftsaufschwung in China nicht absehbar.
Rosige Aussichten für Braugerste
Eine Entspannung auf dem Braugerstenmarkt ist erst mit der
nächsten EU-Ernte im Juli möglich. Dies aber auch nur, wenn die
Erträge endlich wieder einmal gut ausfallen. Aufgrund der
starken Anbauausdehnung der Wintergetreideflächen ist es nämlich
sehr unwahrscheinlich, dass die EU-Braugerstenfläche derart
stark ausgeweitet werden kann, dass auch bei schwachen oder
mittleren Erträgen genügend Sommerbraugerste gedroschen werden
kann. Damit sind die Aussichten für die Sommerbraugerste im Jahr
2008 ausgesprochen günstig. Bei freier Flächenverfügbarkeit
sollte Sommergerste daher auf geeigneten Standorten die
Frühjahrskultur der Wahl sein.
Dr. Christian Bickert, stellv. Chefredakteur der
DLG-Mitteilungen |
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