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Französische Forscher kritisieren MON810-Verbot - "Geringer Respekt gegenüber wissenschaftlichen Fakten"

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July 23, 2009

Source: GMO Safety / bioSicherheit

Mitte April 2009 wurde der Anbau von gentechnisch verändertem Bt-Mais MON810 in Deutschland verboten. Damit folgte die Bundesregierung dem Beispiel mehrerer anderer europäischer Länder, unter anderem Frankreich. Eine Gruppe französischer Wissenschaftler hat die seit 1996 zu Bt-Mais verfügbare wissenschaftliche Literatur systematisch geprüft. Sie kommen zu dem Schluss, dass es für die Anbauverbote keine wissenschaftliche Grundlage gibt.

Die Autoren unterziehen die für das deutsche Anbauverbot herangezogene Datenbasis einer kritischen Untersuchung und bewerten die wissenschaftliche Begründung als methodisch und inhaltlich unzureichend. Die Untersuchung wurde Ende Juni in einer renommierten internationalen Zeitschrift veröffentlicht. bioSicherheit befragte die Autoren zum Inhalt ihrer Kritik.

bioSicherheit: Nach europäischem Recht ist ein nationales Anbauverbot nur zulässig, wenn dies wissenschaftlich begründet ist. So müssen "neue oder zusätzliche wissenschaftliche Informationen" vorliegen, die einen berechtigten Grund zu der Annahme liefern, dass von der gentechnisch veränderten Pflanze "eine Gefahr für die Umwelt" ausgeht. Sie haben die von der deutschen Regierung angeführten "neuen Informationen" geprüft. Zu welchen Feststellungen sind Sie gekommen?

Agnès Ricroch: Wir können belegen, dass das Anbauverbot auf einer unvollständigen Literaturliste beruht und dass die international anerkannte Fall-zu-Fall-Betrachtung ignoriert wird. So wurden Studien zitiert, die sich nicht auf MON810 beziehen, sondern auf einen anderen Bt-Mais. Dieser bildet aber 12-80 mal mehr Bt‑Protein im Pollen. Und in der Risikoabschätzung wurde nicht klar zwischen einer möglichen Gefährdung einerseits und einem geprüften Risiko anderseits unterschieden.

bioSicherheit: Können Sie das genauer darlegen?

Agnès Ricroch: Wir können aufgrund unserer systematischen Literaturanalyse bestätigen, dass inzwischen sehr viel Wissen zu MON810 vorliegt – wir nennen es Meta-Wissen. Wir haben alle Veröffentlichungen von 1996 bis 2009 zu möglichen Effekten auf Nicht‑Zielorganismen ausgewertet. Von 41 2008 bis 2009 veröffentlichten Studien zeigen nur zwei Studien einen Effekt auf die untersuchten Nicht-Zielorganismen. Die Effekte dieser zwei Studien waren entweder inkonsistent oder indirekt. Berücksichtigen wir alle knapp 400 Publikationen seit 1996, dann können wir in keinem Fall auf einen konsistenten Effekt schließen. Wir können auch zeigen, dass Bt-Mais geringere Auswirkungen hat als eine Insektizid-Behandlung.

bioSicherheit: Was kritisieren Sie an dem methodischen Ansatz der deutschen Behörden für ihre Risikoabschätzung von MON810?

Marcel Kuntz: Eine sachgemäße wissenschaftliche Risikoabschätzung von Effekten des Bt-Maises auf Nicht-Zielorganismen erfordert, dass untersucht wird, in welcher Konzentration und für welche Organismen das Bt-Protein toxisch ist. Das kann man z.B. im Labor prüfen.

Dieser Laboransatz beschreibt uns aber erst einmal nur die mögliche Gefährdung beispielsweise einer Schmetterlingsart. Um das tatsächliche Risiko für diese Art festzustellen, muss noch eine zweite Frage beantwortet werden: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Schmetterling in der Natur tatsächlich mit dem Bt-Protein in Berührung kommt. Dieser Gedankengang wurde unseres Erachtens nicht ausreichend berücksichtigt.

bioSicherheit: Welcher Ihrer Kritikpunkte an der Vorgehensweise der deutschen Behörden wiegt nach Ihrer Ansicht am schwersten?

Marcel Kuntz: Nach meiner Meinung gibt es nicht einen besonders hervorzuhebenden Kritikpunkt, sondern ich kritisiere grundsätzlich die unausgewogene Begründung und den geringen Respekt gegenüber wissenschaftlichen Fakten. Diese Kritik beziehe ich ebenso auf die französische Regierung und ihr Anbauverbot von MON810 in 2008.

bioSicherheit: Wie kann es sein, dass methodisch angreifbare Studien einen so hohen Stellwert in der Diskussion erlangen können? Wie sollte Ihrer Meinung nach mit mangelhaften Einzelstudien umgegangen werden?

Marcel Kuntz: Ich bezweifle, dass die von der deutschen Regierung herangezogenen "neueren Ergebnisse" einen großen Effekt auf die wissenschaftliche Diskussion haben. In wissenschaftlichen Kreisen wird sehr genau erkannt, welche Untersuchungen profunde Ergebnisse liefern und welche nicht. Die deutschen Behörden haben für ihre These Einzelstudien selektiert, die ihrer Argumentation dienlich waren. Hätten sie das gesamte verfügbare Wissen berücksichtigt, müssten sie zu einem anderen Ergebnis kommen.

bioSicherheit: Was muss getan werden, damit bei politischen Entscheidungen der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn stärker berücksichtigt wird?

Agnès Ricroch: Sehr sinnvoll wäre es, ein Vorgehen zu etablieren, wie es im Gesundheitssektor seit den 90er Jahren bei der Arzneimittelentwicklung praktiziert wird.

In vielen Bereichen stellt sich doch die Frage, wie das ständig wachsende Wissen adäquat gehandhabt und bewertet werden kann. Nur eine ständige Reflexion des Wissens bietet eine gute Basis für sachgerechte Entscheidungen. Auch erleichtert es die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Politikern, wenn es um die Wertigkeit von wissenschaftlichen Daten geht. Datengrundlagen von hoher Wertigkeit sind z.B. systematische Durchsichten und Auswertungen von Veröffentlichungen, die sich einer Begutachtung von Experten gestellt haben, systematische Meta-Analysen und ein regelmäßiges update systematischer Auswertungen.

 

 

 

 

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