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Anbauverbot von MON810 in Deutschland: Folgen für die Wissenschaft

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Germany
May 4, 2009

Quelle: bioSicherheit
http://www.biosicherheit.de/de/aktuell/684.doku.html

"Das wird nicht ohne Folgen für den Wissenschaftsstandort Deutschland bleiben."

Mitte April 2009 wurde der Anbau von gentechnisch verändertem Bt-Mais MON810 von  Bundeslandwirtschafts- ministerin Aigner verboten. Alle führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen kritisierten diese Entscheidung und befürchten negative Folgen für die biowissenschaftliche Forschung in Deutschland. Auch der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V. (VBIO) protestierte gegen das Verbot von MON810. BioSicherheit sprach mit dem Präsidenten des VBIO, Rudi Balling (Foto).

bioSicherheit: Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner hat den Anbau von gentechnisch verändertem Bt -Mais MON810 verboten und sich dabei auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse berufen. Wie bewerten Sie das Verbot und die Begründung?

Rudi Balling: Frau Aigner stand von Seiten ihrer CSU-Kollegen unter erheblichem politischem Druck, den Anbau von MON810 zu verbieten. Auch Politiker der Opposition haben von ihr gefordert, das Vorsorgeprinzip walten zu lassen. Die EU-Regelungen erlauben ein vorsorgliches Verbot aber nur dann, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Daher war sie gezwungen, sich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berufen.

Zum Thema Pollenflug liegen die Ergebnisse mittlerweile ebenso auf dem Tisch wie zur Weiterverbreitung von Bt‑Proteinen zum Beispiel bis in die Kuhmilch. Fachwissenschaftler sind sich einig, dass aus diesen Ergebnissen keine Gefährdungspotenziale abgeleitet werden können.

Zu den Auswirkungen auf Nicht‑Zielorganismen liegen tatsächlich einzelne neuere Studien vor, die das Ministerium neben einer ganzen Reihe älterer Veröffentlichungen herangezogen hat. Diese neuen Versuchsansätze sind aus meiner Sicht nicht sehr realitätsnah und wenig dazu geeignet, Aussagen über Umweltrisiken im Freiland zu machen. Normalerweise ernähren sich Wasserflöhe nämlich nicht von Maismehl und Marienkäfer nicht von Mehlmotteneiern. Rein fachlich sind die neu vorgelegten Befunde keineswegs zwingend, sondern – vorsichtig gesprochen – im Hinblick auf Versuchsansatz und Ergebnisinterpretation umstritten.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es diesen Nicht-Zielorganismen bei direkter Behandlung mit Bt-Protein am schlechtesten geht, bei Aufnahme von Bt-Pflanzen etwas besser, und ohne jegliche Behandlung am besten. Nicht verwunderlich, da Bt-Proteine Insektizide sind, die auch im Ökolandbau angewandt werden. Ob das nun heißen soll, dass Landwirte zukünftig gar keine Insektizide mehr anwenden dürfen?

bioSicherheit: Wie verändert so eine politische Entscheidung den Wissenschaftsalltag und die Stimmung bei den Wissenschaftlern?

Rudi Balling: Durch die Entscheidung von Bundesministerin Aigner ist nicht nur die kommerzielle landwirtschaftliche Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen betroffen, sondern auch die wissenschaftliche Forschung. Ihr eigenes Haus muss seit 2005 laufende Forschungsprogramme abbrechen, die die Koexistenz von konventionellem und gentechnisch verändertem Mais (MON810) untersuchen sollten. In Bayern verkündet die CSU gar, dass die Forschung an allen gentechnisch veränderten Pflanzen zukünftig nicht mehr im Freiland, sondern nur noch im Glashaus stattfinden soll. Die Sicherheitsforschung im Freiland wurde in Bayern auf Weisung der Staatsregierung bereits eingestellt.

Das wird nicht ohne Folgen für den Wissenschaftsstandort Deutschland bleiben, auch wenn Bundesministerin Schavan versucht, mit einem "Runden Tisch" gegenzusteuern. Pflanzenbiotechnologie ist eine Zukunftstechnologie, die viele Chancen bietet, aber selbst keine Chance bekommt. Bei vielen betroffenen Kollegen aus den Pflanzenwissenschaften herrscht Verärgerung darüber, dass durchsichtige politische Entscheidungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begründen versucht werden. Die Grüne Gentechnik ist viel zu wichtig, um als Wahlkampfthema verheizt zu werden.

Nach Jahren der Unsicherheit, der argumentativen Auseinandersetzung und nicht selten auch persönlicher Angriffe mischt sich Enttäuschung mit Müdigkeit. Es sind ja nicht nur Politiker und Feldbesetzer, die den Pflanzenwissenschaftlern das Leben erschweren. Die Unfähigkeit - oder Unwilligkeit? - von Hochschulverwaltungen wie 2008 in Gießen und Nürtingen-Geislingen, genehmigte Freisetzungsversuche zu unterstützen und damit die Forschungsfreiheit durchzusetzen, haben viele Kollegen tief enttäuscht. Ich kann es den Kollegen nicht verdenken, wenn sie sich nach Alternativen außerhalb Deutschlands umsehen.

bioSicherheit: Durch ein solches Verbot verändert sich auch das gesellschaftliche Klima für die biowissenschaftliche Forschung. Was bedeutet das für die Zukunft der Biowissenschaften in Deutschland?

Rudi Balling: Einzelne biowissenschaftliche Disziplinen haben es sehr schwer, sich in Deutschland zu behaupten. Nicht etwa, weil sie keine exzellente Arbeit leisten, sondern weil die Rahmenbedingungen immer forschungsfeindlicher werden. Trotz aller Bestrebungen zum Beispiel im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung gehört die Grüne Gentechnik wohl zu diesen gefährdeten Disziplinen.

Die Biowissenschaften als Ganzes sehe ich in Deutschland noch nicht gefährdet. Es gibt ja durchaus auch Bereiche der Biotechnologie, die weniger umstritten sind als die Grüne Gentechnik. Die "rote" Gentechnik ist breit akzeptiert, die "weiße" Gentechnik aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Wenn wir die Biowissenschaften zukunftsfähig machen wollen, müssen wir auch diesen Widerspruch thematisieren.

Biowissenschaften und Biomedizin stecken dabei von jeher in einer besonderen Begründungssituation, weil ihre Inhalte jeden Einzelnen ganz persönlich betreffen. Das heißt zum einen, dass jedes Individuum ein Experte in eigener Sache ist, der am besten weiß, was ihm gut tut. Zum anderen agiert niemand wirklich nur rational, wenn es um seine eigene Person geht. Vor diesem Hintergrund ist es besonders schwer, komplexe Sachverhalte zu vermitteln. Für Sachverhalte, die der einzelne in ihrer Komplexität nicht nachvollziehen kann, sucht er vertrauenswürdige Berater, die er derzeit vor allem im Bereich der Nichtregierungsorganisationen zu finden glaubt. Hier müssen die Biowissenschaftler noch aktiver werden und ihre Expertise selbstbewusster vertreten. Da gibt es auch für den VBIO noch viel zu tun.

 

 

Deutsches Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verbietet den Anbau und Verkauf von Saatgut von Mais der Linie MON810

 

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