Germany
June, 2004
Source:
Saaten Union newsletter
Anfang März trafen sich führende
Pflanzenzuchtexperten der
Saaten-Union bei der Fr. Strube Saatzucht KG in Söllingen,
um dort über die wichtigsten Trends in der Getreidezüchtung für
die nächsten Anbaujahre zu diskutieren. Praxisnah war dabei und
sprach mit Dr. Eberhard Laubach von der NORDSAAT Saatzucht GmbH,
mit Dr. Laszlo Cselenyi, verantwortlicher Gerstenzüchter bei der
W. von Borries-Eckendorf GmbH & Co. und Johann-Friedrich Strube,
Geschäftsführer bei der Saatzucht Ackermann.
„In der Gerstenzüchtung wurden in
den vergangenen Jahren erhebliche Zuchtfortschritte erzielt. Wie
würden Sie die wesentlichen Trends und Erfolge zusammenfassen?
Dr.
Laubach: „Bis Mitte der 90iger Jahre war die mehrzeilige
Wintergerste eher eine problematische Ackerbaufrucht, vor allem
mit Hinblick auf gravierende Mängel in der Standfestigkeit und
der Kornausbildung. Hier haben wir wichtige Erfolge erzielt,
nicht nur für einzelne Sorten, sondern für das Gesamtniveau der
Fruchtart.“
Dr. Cselenyi: „Die Einführung der SAATEN-UNION
„Stabil-Gersten-Generation“ ist ein Meilenstein in der
Gerstenzüchtung. In den vergangenen Jahren konnten wir durch
intensive Zuchtarbeit auch die Probleme bei der Strohqualität,
beispielsweise das Halmknicken, in den Griff bekommen. Dadurch
ist insgesamt die Vorzüglichkeit der mehrzeiligen
Wintergerstensorten für den Anbau in allen Regionen Deutschlands
erheblich gesteigert worden. Ein gutes Beispiel ist die Sorte
MERLOT. Mit CANDESSE und ganz neu mit PALMYRA konnten
Standfestigkeit und Kornqualität kombiniert werden. Mit den
soeben genannten Sorten wurden die Marktwarenerträge erheblich
gesteigert.“
Herr Strube: "40% des
Bundesweitenwintergerstenanbaues ist zweizeilig. „Im Gegensatz
zu mehrzeiligen Sorten zeichnen sich zweizeilige Sorten wie
CARRERO, Reni und Jessica durch sehr große Körner mit einem TKG
bis über 60 g aus. Daher sind sie besonders für Standorte
geeignet, auf denen die Abreife oft sehr heiß und schnell ist.
Die Zweizeiler zeichnen sich durch elastisches Stroh aus, so
dass Standfestigkeit, Halm- und Ährenknicken kein großes Thema
ist.“
„Trotz dieser durchaus positiven Entwicklungen,
vielerorts wünschen sich Landwirte eine deutlich verbesserte
Winterfestigkeit bei der Gerste. Gibt es hier
Zuchtfortschritte?“

Dr. Cselenyi:
„Im Vergleich aller Getreidearten ist die Gerste hinsichtlich
dieses Merkmals immer noch die empfindlichste Frucht. Den
Durchbruch konnten wir in den vergangenen Jahren für die
mehrzeiligen Sorten noch nicht erreichen. Allerdings sind wir
auf einem guten Weg. Unsere Neuzulassungen versprechen hier eine
Verbesserung. Größere Erfolge sind uns im zweizeiligen Sortiment
gelungen. Hier ist das Merkmal Winterfestigkeit deutlich
verbessert worden. Die neu zugelassene Sorte ANNICKA wird vom
BSA mit der Bestnote „3“ im Merkmal Winterhärte bewertet.“
„Ein großes Thema im praktischen Anbau
ist die Gesundheit des Bestandes.
Rynchosporium, Viren und Strahlen machen so
mancher Gerstenpflanze das Leben schwer.
Wie beurteilen Sie als Züchter den
Gesundheitsstatus der heimischen Gerste?“
Dr. Laubach:
„Grundsätzlich kann man sagen, dass in den vergangenen Jahren
die Pflanzengesundheit durch die Zuchtarbeit erheblich
verbessert worden ist. Ein Beispiel dafür ist die
Rynchosporium-Einstufung aktueller Sorten. War vor 15 Jahren die
beste Note eine 4 oder 5, erreichen wir jetzt problemlos eine 2
oder 3. Auch das Problem des Gelbmosaikvirus-Befalls haben wir
weitestgehend im Griff. Eine Resistenz ist bei den mehrzeiligen
Gersten nicht mehr wegzudenken. Bei den zweizeiligen Sorten
besteht immer noch die Gefahr des Virusbefalls, vor allem im
Anbauschwerpunkt Süddeutschland. Die weitere Fruchtfolge und die
rasche Jugendentwicklung begrenzen hier dessen Bedeutung.
Züchterisch ist die Virusresistenz natürlich in Bearbeitung und
bereits in Sorten eingebaut.“
"Ein neues Krankheitsbild, die nicht parasitären
Blattflecken, waren in den vergangenen Jahren der
ertragsbegrenzende Faktor im süddeutschen Anbau. Wie geht es
hier weiter?"
Dr. Cselenyi:
„Obwohl die Ursachen noch nicht eindeutig geklärt sind, gibt es
bereits Zuchtstämme, die eine Toleranz aufweisen. Da
Variabilität besteht, haben wir Züchter die Hoffnung, das
Problem in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen.“
Herr Strube: „Wichtig im Zusammenhang mit der
Gesunderhaltung der Gerstenpflanze ist ein ausgeglichenes
Resistenzspektrum über alle Krankheiten. Nicht die einzelne
Krankheit steht im Mittelpunkt, beispielsweise beim Mehltau eine
Zweierbewertung und bei Rynchosporium eine sieben, sondern
überall den „Dreier“.“
„In modernen Zuchtprogrammen liest man häufig den
Begriff der Ökostabilität. Ist dies ein neuer Werbe-Begriff der
Züchter oder was versteckt sich dahinter?“
Dr. Laubach:
„Die Ökostabilität ist keine Worthülse sondern ein sehr
wichtiges Zuchtziel in unserer Arbeit geworden. Hinter ihr
verbirgt sich die Eigenschaft, eine Sorte in verschiedensten
Umwelten anzubauen und gleichzeitig einen stabilen hohen Ertrag
zu erzielen. Im Verbund der SAATEN-UNION sind wir deshalb
bemüht, Zuchtstämme sehr früh auf verschiedensten Standorten
sowie unter unterschiedlichen Klima- und Anbaubedingungen zu
selektieren. Dies ist uns möglich, da wir über Zuchtstandorte in
Frankreich, England, Polen und selbstverständlich in Nord- und
Süddeutschland verfügen.“
Dr. Cselenyi: „Nicht vergessen sollte man: Wir
haben eine Globalisierung, die natürlich auch vor der Zucht
nicht halt macht. Konkret bedeutet dies, dass wir jetzt schon
sehr frühe Generationen im Austausch mit unseren Kollegen in
Polen, Frankreich, Tschechien bzw. unseren
Zuchtstationen prüfen und Informationen erhalten, ob die Sorten
eine Eignung für den dortigen Anbau besitzen.“
Herr
Strube: „Das Zuchtziel „Ökostabilität“ ist für den vernetzten
europäischen Markt von besonderer Bedeutung. Ein wesentlicher
Ansatz zur Erreichung des Zuchtziels ist eine Intensivierung der
internationalen Zusammenarbeit. Grundsätzlich sehen wir für
unser heimisches Sortenspektrum künftig große Chancen nicht nur
in West-, sondern auch in Osteuropa. Auf der anderen Seite
erhalten wir auch deutliche Impulse für unsere Arbeit durch die
Integration von ausländischen Sorten in unsere
Züchtungsprogramme. Dadurch kann die Marktentwicklung von neuen
internationalen Sorten beschleunigt werden. So sind
beispielsweise die SAATEN-UNION Sorten CAROLA oder MERLOT
bereits in diesen Ländern zugelassen und stoßen auf große
Akzeptanz unter den dortigen Landwirten und Verarbeitern.“
Dr. Cselenyi: „Für die Wintergerste sehen wir in
den EU-Ländern echte Chancen. Vor allem gilt dies für die
Winterbraugerste. Hier erhoffen wir ein großes
Wachstumspotenzial, vorausgesetzt, wir können die Qualität der
Winterbraugerste kurzfristig weiter verbessern.“
„Vor diesem Hintergrund: Was sind Ihre Ziele in
den nächsten 2 – 3 Jahren?“
Dr. Cselenyi:
„Im Bereich der zweizeiligen Sorten möchten wir eine gesunde
Braugerste, die eine kombinierte Resistenz gegen beide
Gelbmosaik-Virosen und eine hervorragende Braueigenschaft
besitzt, etwa so gut wie die Brauqualität bisheriger
Sommergersten. Natürlich muss eine solche Sorte auch alle
sonstigen agronomischen Ansprüche erfüllen.“
Dr.
Laubach: „In unseren aktuellen Zuchtprogrammen geht es
grundsätzlich darum, die Konkurrenzfähigkeit der Gerste
gegenüber dem Weizen aufrecht zu erhalten und weiter zu
verbessern. Man kann nicht von der Hand weisen, dass es im
Weizen intensive Züchtungsprogramme gibt.“
Herr Strube: „Stimmt, die Wintergerste muss
konkurrenzfähig bleiben. Sie hat sicherlich in den heimischen
Fruchtfolgen als frühräumende Getreideart ihre Vorteile und
Effekte auf die Arbeitsauslastung. Man darf sie ertraglich aber
nicht mit Winterweizen vergleichen, da sie im Regelfall am Ende
der Fruchtfolge und auf schwächeren Standorten steht. An der
Verbesserung der Erträge, Standfestigkeit und Brauqualität wird
kontinuierlich weitergearbeitet.“
Dr. Laubach: „Ein aktuelles Beispiel dieser
Arbeit ist die Sorte MERLOT, die eine einmalige Kombination aus
Standfestigkeit mit der Note 2 und Kornertrag mit der Note 9
besitzt, dazu eine gut ausgeprägte Resistenz vorweist und
hervorragende Kornqualitäten bietet.
Damit ist auf vielen Standorten der
Wintergerstenanbau konkurrenzfähig.“ |